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Tupac Amaru Shakur - Presse über ihn
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Erst
nach dem Tod berühmt?
(Nataly Bleuel) Tupac Shakur
wird, seit er am 7. September
1996 erschossen wurde, immer
besser: mit "Gridlock'd" und
"Gang Related" und seiner
neuen Doppel-CD "R U Still
Down? (Remember Me)". - Und
der Verlust eines guten Schauspielers
und Musikers wird immer betrüblicher,
denn er war auf dem Weg, sich
von seinem pubertären Gangsta-Gehabe
zu einem selbstironischen
und sympathischen Charakter
zu entwickeln.
Vielleicht hätte er sich auf
seine Mutter verlassen sollen
- wenn sie zu seinen Lebzeiten
eine verläßliche Stütze gewesen
wäre: Afeni Shakur, Ex-Black-Panther-Aktivistin,
war lange cracksüchtig. Daß
sie ihm für sein wenig rühmliches
Gangsta-Leben verzeihen solle,
hatte Tupac seiner "Dear Mama"
einst herzzerreißend aus dem
Knast gerappt.
Der Stiefvater wurde irgendwann
zu 60 Jahren Knast verurteilt.
Und der natürliche Vater war
nicht bekannt, bis sich plötzlich
einer für das 50-Millionen-Dollar-Vermögen
anmeldete.
Tupac hatte kein Testament
hinterlassen und laut kalifornischem
Gesetz erben dann beide Elternteile.
Das Vermögen verwaltet jetzt
Afeni Shakur mit Hilfe des
renommierten Anwalts Richard
Fischbein. Beziehungsweise
das, was von dem Geld übrig
blieb: Cadillacs und Brillis
kosten was, und die Brüder
vom Plattenlabel Death Row
- besonders der Produzent
Suge Knight - sind mit Tupacs
Millionen auch nicht zimperlich
umgegangen.
Afeni Shakur verwaltet aber
auch den noch immateriellen
Nachlaß ihres mit 25 Jahren
gestorbenen Sohns: Sie hat
wahrgemacht, was Tupac sich
erträumt hatte, indem sie
ein eigenes Platten-Label
gründete: "Amaru"-Records
- die "Leuchtende Schlange"
Tupac Amaru ist ein namentliches
Relikt aus Zeiten, als schwarze
Aktivisten sich gerne auf
peruanische Inkakönige und
maoistische Revolutionstheorien
beriefen.
Tupac Shakur war, was die
Amerikaner "prolific" nennen:
ungemein produktiv. Sein Film-
und Tonmaterial trägt jetzt
noch Früchte. Afeni Shakur
hat sie mit Hilfe der erfahrenen
Produzentin Lisa Smith-Putnam
und Tupacs Rap-Kollegen produziert.
Angeblich hatte Tupac stets
Songs für drei Alben in petto,
das sei nur der Anfang, sagt
seine Mutter. Es werden weitere
neue Doppel-Packs folgen.
Außerdem gibt es rund 200
Gedichte. Und die vier Alben,
die der Turbo-Rapper bei Interscope
einspielte, sollen wiederveröffentlicht
werden ("2Pacalypse Now",
"Thug Life", "Strictly 4 My
N.I.G.G.A.Z.", "Me Against
The World"). Auch die 25 Raps
auf "R U Still Down?" hatte
Tupac für das Label Interscope,
also in den Jahren 1991 bis
1994 aufgenommen. Und da haben
es nicht nur die Rohfassungen
mit ihren geschmierten Reimen
in sich. Das Album ist meisterhaft
produziert. Es ist melodiöser,
gereifter Hip Hop nach der
alten funkigen Schule: groovig
ohne abgenudelt zu sein, soulig
ohne schmalzig zu werden,
und die Brüche holpern taktvoll
und nicht als Betäubungen
durch die Ohr- und Hirnwindungen.
Das ausgekoppelte "I Wonder
If Heaven Got a Ghetto" wird
wohl nicht nur aufgrund seiner
- Tupac-typischen - Prophetie
in die Charts starten. "Do
For Love" hat das Zeug zu
einem akzeptablen, weil anspruchsvollen,
Ohrwurm. Und "Nothin to Loose"
ist Tupacs kongeniales Pendant
zu dem Ice-T-Klassiker "That's
How I'm Livin'": Gerappter
Lebenslauf für jene, die diese
Ghetto-Klaustrographie kennen
und solche, die es nicht hören
und besser wissen wollen.
Tupacs Leichnam wird geldbringend
gefleddert. Da will beispielsweise
Even C. Delores Tucker ein
Stückchen vom Kuchen und fordert
Schadenersatz: Eine Rap-Attacke
von Tupac habe ihr Sexleben
nachhaltig eingefroren. Mit
"R U Still Down? (Remember
Me)" wird aber auch mit und
nach dem Tod eines Künstlers
gehandelt, der immer noch
Neues zu bieten hat. Es ist
nicht die 150. Auflage eines
altbekannten Meisters.
[Erschien in 'Der SPIEGEL'
am 19.Dezember 1997]
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